Die Perlenfischer von Ras Al Khaimah
Die Ras Al Khaimah Pearl Farm fischt rund 80.000 bis 100.000 Ayoka-Perlen pro Jahr.
(Quelle: ZDF/Adami)
Die ganze Welt spricht vom Glanz, Glitzer und den Superlativen, die Dubai zu bieten hat. Was kaum jemand weiß: Im smaragdgrünen Wasser des kleinen Nachbar-Emirats Ras Al Khaimah funkeln die wahren Perlen des Orients.
Einzige Perlenzucht im Nahen Osten
Hinter ihm tun sich die schroffen Gipfel des Hajar-Gebirges auf, ein Schwarm Flamingos fliegt durch die vor Hitze flirrende Luft. Es ist eine fast surreale Szenerie, wenn man bedenkt, dass nur wenige Kilometer entfernt die höchsten Wolkenkratzer der Welt stehen. Doch all diese Superlative Dubais gibt es hier, in Ras Al Khaimah, nicht. Stattdessen: Anmutige Wüste, karge Bergflanken, mächtige Forts, Dattelplantagen, alte Märkte - und die einzige Perlenzucht des gesamten Nahen Ostens.
Mohamed arbeitet bereits seit mehreren Jahren auf der Farm und zeigt seinen Gästen auch heute wieder, wie man die kostbaren Perlen kultiviert. Damit geht er einer Tradition nach, die in Ras Al Khaimah fest verwurzelt ist. Das Perlenfischen am Arabischen Golf war lange Zeit ein blühender Wirtschaftszweig. Zwischen Juni und Oktober, wenn das Meer ruhig ist und keine Stürme zu befürchten sind, fuhren seine Ahnen mit den Booten hinaus, um das weiße Gold aus rund 20 Metern Tiefe heraufzuholen. Eine beschwerliche Arbeit, die viel Geduld und allerhand Gefahren mit sich brachte. Doch sie ermöglichte gute Geschäfte - bis die Japaner in den 1930er Jahren den Kunstperlenmarkt entdeckten und den Markt für Naturperlen stark zurückdrängten.
In den darauffolgenden Wochen reagieren die Austern auf den jeweiligen Eindringling mit einem Perlmutt-Sekret, das sich Schicht für Schicht um den Störenfried legt und so eine vollständige Perle entwickelt. Nach rund zwölf bis 18 Monaten können sie geerntet weden. "Normalerweise holen wir die Netze im Januar aus dem Wasser", sagt Mohamed und reicht einen Eimer mit frisch eingesammelten geschlossenen Austern herum. Jeder Perlenfarmbesucher darf sich eine aussuchen - enthält sie eine Perle, darf er sie als Souvenir mit nach Hause nehmen.
Dann beginnt das Schauspiel: Vorsichtig knackt Mohamed reihum mit einem kleinen Messer die Schalen. Dann klappt er die erste Auster auf und bewegt das glibberig-weiche Muschelfleisch hin und her. Und tatsächlich: Gleich in der ersten kommt eine Perle zum Vorschein. Glück für die Urlauberin, die sich die Muschel ausgesucht hatte. "Die Chancen, eine Perle zu erwischen, stehen eigentlich ganz gut", sagt Mohamed. In etwa 80 Prozent der Muscheln sind Perlen zu finden - rund zehn Prozent davon in höchster Qualität. Aus diesem Grund ist Mohamed spendabel: Wer keine Perle erwischt hat, darf eine weitere Auster öffnen.
Schatzsuche am Arabischen Golf
"Heute nehmen wir uns die Technik der japanischen Kunstperlenzucht zu Hilfe, um die traditionelle Perlenfischerei und -verarbeitung wieder aufleben zu lassen", erklärt Mohamed. "Die Ras Al Khaimah Pearl Farm ist die einzige professionell betriebene Perlenfarm im Nahen Osten. Unser Emirat ist damit eine von nur fünf Regionen weltweit, in denen Naturperlen kultiviert werden", sagt er. Dann demonstriert der Experte seinen Gästen, wie die Perlenaustern mit winzigen Fremdkörpern präpariert werden, bevor sie in quadratische Netzträger kommen und ins Meerwasser gehängt werden.
Auf die Größe kommt es an
Es macht ihm sichtlich Spaß, mit den Besuchern zu schäkern und die Tradition des Perlentauchens fortzuführen. Früher waren die Perlentaucher oft mehrere Monate lang auf See, um ihre Familien ernähren zu können. Abgesehen von den Erträgen des Meeres gab es in Ras Al Khaimah ja nur Sand und Berge - Öl wurde hier nicht gefunden. Heute fischt die Ras Al Khaimah Pearl Farm rund 80.000 bis 100.000 Ayoka-Perlen pro Jahr aus den Gewässern des Arabischen Golfs, wobei nur die schönsten von ihnen in die Zählung eingehen. Form, Farbe, Gewicht, Größe und Glanzkraft unterliegen dabei strengen Kontrollen.
Durch ihre runde, gleichmäßige und glänzende Form galt die Ayoka schon vor rund 5.000 Jahren als wertbeständiges Zahlungsmittel, das in der gesamten Golfregion sehr gefragt war. Je perfekter die Perle, desto größer ihr Wert. "Besonders stolz sind wir auf eine Perle, die wir 2007 in der Region entdeckt haben. Mit zwölf Millimetern Durchmesser ist sie ein ganz besonderes Fundstück", erzählt Mohamed. Nun liegt sie auf ein rotes Samtkissen gebettet im örtlichen Perlenmuseum und kann dort von Besuchern das ganze Jahr über bestaunt werden.